Wir kommen täglich mit Bakterien, Viren, Pilzen oder anderen Krankheitserregern in Kontakt. Um eine Ansteckung zu verhindern oder zu bekämpfen, besitzt unser Körper ein eigenes Abwehrsystem: das Immunsystem. Der Überbegriff Immundefekte umfasst eine Gruppe von verschiedenartigen Erkrankungen, denen ein Defekt in einem oder mehreren Komponenten des Immunsystems zugrunde liegt. Viele Betroffene haben beispielsweise nicht ausreichend körpereigene Abwehrstoffe, sogenannte Antikörper, um Krankheitserreger unschädlich zu machen. Immundefekte sind daher mit einer erhöhten Infektanfälligkeit assoziiert.
Primäre und Sekundäre Immundefekte
Bei Immundefekten unterscheiden wir zwischen primären und sekundären Immundefekten.
Primärer Immundefekt (PID)
Ein Immundefekt kann angeboren (primär) sein und im Kleinkind- oder auch erst im Erwachsenenalter diagnostiziert werden. Derzeit sind etwa 430, meist molekulargenetisch definierte, primäre Immundefekte bekannt. Bei der häufigsten vorkommenden Form des primären Immundefekts ist der Körper nicht oder begrenzt in der Lage, Antikörper zu bilden und braucht deshalb von außen zusätzlich zugeführte Antikörper, so genannte Immunglobuline.
Sekundärer Immundefekt (SID)
Erworbene (sekundäre) Immundefekte kommen etwa 30-mal häufiger vor als primäre Immundefekte und können viele verschiedene zugrundeliegende Ursachen haben. Etwa als Folge anderer Grunderkrankungen oder deren Therapie, ist bei Betroffenen die natürliche Immunabwehr beeinträchtigt.
Mögliche Ursachen können bestimmte Blutkrebsarten sein oder Therapien, die das Abwehrsystem unterdrücken wie z.B. Medikamente, die nach einer Organtransplantation eingenommen werden müssen.
Primärer Immundefekt (PID)
Erfahren Sie mehr zu den verschiederen Arten primärer Immundefekte.
1. Variables Immundefektsyndrom (CVID)
- Das variable Immundefektsyndrom ist eine angeborene Erkrankung des Immunsystems, bei der die Anzahl der Antikörper im Blut der Betroffenen verringert ist. Es gehört somit zu den Antikörpermangelsyndromen und kommt im Vergleich zu anderen angeborenen Immundefekten relativ häufig vor.
2. X-chromosomal vererbte Agammaglobulinämie (XLA)
- Die X-chromosomal vererbte Agammaglobulinämie (XLA) ist eine der häufigsten angeborenen Erkrankungen des Immunsystems. Betroffene mit XLA können selbst keine Antikörper herstellen, wodurch sie vermehrt an Infektionen leiden.
3. IgG-Subklassen-Mangel
- Beim IgG-Subklassen-Mangel ist der Körper nicht der Lage, ausreichende Mengen des Antikörpers Immunglobulin G (IgG) in einer oder mehreren seiner Unterklassen (Subklassen) zu produzieren. Das beeinträchtigt das Immunsystem, mit der Folge, dass Betroffene deutlich häufiger und langanhaltender als gesunde Menschen erkranken können – auch an normalerweise ungefährlichen Keimen.
4. Hyper-IgM-Syndrom (HIGM-Syndrom)
- Das Hyper-IgM-Syndrom ist eine angeborene Erkrankung des Immunsystems, bei der die verschiedenen Antikörperklassen ungleich gewichtet sind. Namensgebend für die Krankheit ist die vergleichsweise zu hohe Menge („Hyper“) des Immunglobulins IgM im Blut der Betroffenen. Aufgrund der Vererbung über das X-Chromosom erkranken nur Jungen bzw. Männer an diesem Syndrom.
5. Selektiver IgA-Mangel (SIgAD)
- Der selektive IgA-Mangel (SIgAD) ist eine der häufigsten angeborenen Erkrankung des Immunsystems. Selektiv bedeutet, dass nur das Immunglobulin A (IgA) in verminderter Konzentration vorliegt, während die Werte anderer Antikörper wie IgM oder IgG im Normbereich liegen. Fehlt dem Körper IgA, kann dies sehr unterschiedliche Folgen haben: Einige Betroffene erkranken häufiger, während andere einen IgA-Mangel nie bemerken.
6. Schwerer kombinierter Immundefekt (SCID)
- Der schwere kombinierte Immundefekt (engl. Abkürzung: SCID) ist ein Sammelbegriff für unterschiedliche angeborene und schwere Krankheiten des Immunsystems. Bei SCID können verschiedene Zellarten der Immunabwehr beeinträchtigt sein. Vor allem ist jedoch die Entwicklung der sogenannten T-Zellen gestört.
7. Wiskott-Aldrich-Syndrom (WAS)
- Das Wiskott-Aldrich-Syndrom ist eine seltene angeborene Erkrankung des Immunsystems. Sie tritt nur bei Jungen bzw. Männern auf. Ursache ist eine Veränderung im Erbgut, die sich unter anderem auf die Bildung der Blutplättchen (Thrombozyten) und damit auf die Blutgerinnung auswirkt.
8. DiGeorge-Syndrom
- Das DiGeorge-Syndrom ist eine angeborene Erkrankung des Immunsystems, bei der das Erbgut auf einem bestimmten Chromosom verändert ist. Das führt bereits beim Embryo zu einer gestörten Entwicklung unter anderem im Gesichts- und Rachenbereich. Das DiGeorge-Syndrom ist nur eine von vielen Erkrankungen, die alle zum sogenannten Mikrodeletionssyndrom 22q11 zählen.
9. Louis-Bar-Syndrom
- Das Louis-Bar-Syndrom ist eine angeborene Erkrankung, die schon sehr früh zu unterschiedlichen Entwicklungsstörungen führt.
.
Sekundärer Immundefekt (SID)
Erfahren Sie mehr über die Arten sekundärer Immundefekte.
1. Infektionen & Krebserkrankungen
- Für einen erworbenen Immundefekt gibt es vielfältige Ursachen. Am häufigsten führen Leukämien (Blutkrebs) und Krebserkrankungen des Lymphsystem zu einem geschwächten Immunsystem.
2. Autoimmunerkrankungen: Angriff gegen den eigenen Körper
- Infolge von Immundefekten können unter anderem Autoimmunerkrankungen auftreten. Hierbei ist das Immunsystem nicht in der Lage, körpereigene Zellen und Gewebe von körperfremden zu unterscheiden. Die Folge: Das Immunsystem richtet die Abwehrreaktionen gegen gesundes und funktionsfähiges Gewebe. Diese sogenannte Immundysregulation (griechisch „dys“ = schlecht) kann zusammen mit einer krankhaft erhöhten Infektanfälligkeit auftreten. Allerdings führen nur wenige der zahlreichen unterschiedlichen Autoimmunerkrankungen unmittelbar zu einem symptomatischen Immundefekt mit erhöhter Infektanfälligkeit. Das kann die Diagnose eines Immundefekts erschweren. Bei Autoimmunerkrankungen können sich auch die Bereiche der primären – also angeborenen – Immundefekte mit denen der erworbenen (sekundären) Immundefekte überlappen und lassen sich teilweise schwer voneinander abgrenzen. Ursachen für häufige und länger anhaltende Infektionen sind oft Behandlungen, die das Immunsystem unterdrücken (sog. immunsupprimierende Therapien).
3. Immunsystem-unterdrückende Medikamente: zwei Seiten einer Medaille
- Klassische Immunsuppressiva und auch moderne Medikamente, die ins Immunsystem eingreifen und dessen Abläufe verändern, können die Immunabwehr hemmen. Sie sind bei verschiedenen Erkrankungen ein unverzichtbarer Bestandteil der Therapie. Allerdings schwächen sie die Abwehr gegen Krankheitserreger so stark, dass Betroffene deutlich häufiger an Infektionen durch üblicherweise harmlose Erreger erkranken. Ob und wie weit sich eine Immunschwäche entwickelt, hängt dabei vom Medikament, seiner Dosierung und der Therapiedauer sowie von der vorliegenden Erkrankung ab.
4. Viren können Auslöser von Immundefekten sein
- Viren gehören neben Bakterien zu den häufigsten Krankheitserregern. Das Immunsystem wehrt die Eindringlinge häufig ab, ohne dass der Betroffene Symptome zeigt. Es gibt jedoch Viren, die das Immunsystem nachhaltig angreifen und so einen erworbenen Immundefekt auslösen können.
5. Erworbener Immundefekt: Wenn der Stoffwechsel die Abwehrkräfte schwächt
- Für erworbene Immundefekte gibt es zahlreiche Ursachen. Hierzu gehören auch Stoffwechselstörungen, bei denen chemische Abläufe im Körper aus dem Gleichgewicht geraten. Dies kann sich auf das Immunsystem auswirken und so häufigere Infektionen zur Folge haben.